Hilfe für Betroffene: Neue Maßnahmen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Die Zahl der gemeldeten Fälle häuslicher Gewalt im Kreis Gütersloh ist laut der Polizeilichen Kriminalstatistik in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Während es 2020 noch 451 Fälle gab, überschritt sie 2020 die 800er-Marke.

Hilfe für Betroffene: Neue Maßnahmen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt

Auch Sexualdelikte unter Gewaltanwendung oder Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses haben zugenommen. Während es 2020 noch 109 Fälle gab, erreichte die Zahl 2022 mit 154 Fällen ihren Höchststand.

Dieser kontinuierliche Anstieg verdeutlicht die anhaltende Problematik und die Notwendigkeit verstärkter Schutzmaßnahmen, Präventionsarbeit und Unterstützungsangebote für Betroffene. Die Zusammenarbeit zwischen medizinischen Einrichtungen, Polizei und Beratungsstellen spielt eine entscheidende Rolle, um Gewalt zu erkennen, zu verhindern und den Opfern Hilfestellung zu bieten.

Erweiterte Schutzmaßnahmen für Gewaltopfer im Klinikum Gütersloh

Das Klinikum Gütersloh hat seine Schutzmaßnahmen für die Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt erweitert. Ziel ist es, dass Betroffene schon in der Notaufnahme Beratung und Unterstützung erhalten.

Sexuelle und häusliche Gewalt sind für Notfallmediziner Dr. Udo Schniedermeier viel mehr als eine Statistik. Als Leiter der Notaufnahme im Klinikum Gütersloh haben er und sein Team regelmäßig mit den Opfern von Gewalt zu tun. „Unser Wunsch ist es, den Betroffenen Hilfe anzubieten, die über die bloße Versorgung der Wunden hinausgeht. Was wir auf keinen Fall wollen, ist, dass Gewaltopfer sich nicht trauen, zum Arzt zu gehen, weil sie Angst vor den Folgen haben.“

Sensible Betreuung und vertrauliche Spurensicherung

Das Team der Notaufnahme hat deshalb gemeinsam mit Gynäkologen, Urologen und Unfallmedizinern ein Konzept entwickelt, um den Opfern von häuslicher und sexualisierter Gewalt bestmöglich zu helfen. „Unser Ziel ist es, die Situation sensibel wahrzunehmen, sie offen anzusprechen und Hilfsangebote zu unterbreiten.“

Schon im Wartebereich der Notaufnahme weisen Bildschirminformationen und Flyer darauf hin, dass die Mitarbeitenden sich nicht nur um die medizinische Versorgung kümmern, sondern auf Wunsch auch Hilfsangebote vermitteln.

Ein Angebot ist die vertrauliche Spurensicherung. Opfer von sexueller oder häuslicher Gewalt können die Spuren der Tat sichern lassen – unabhängig von einer Anzeige. Das Personal in der Klinik ist dafür geschult, DNA-Spuren so wenig belastend wie möglich für die Betroffenen zu sichern.

„Da mit der erlittenen sexualisierten Gewalt oftmals eine erhebliche Traumatisierung einhergeht, ist ein sensibler Umgang mit den betroffenen Frauen und Mädchen von ganz besonderer Bedeutung“, erklärt Dr. Wencke Ruhwedel, Chefärztin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie hat viele Jahre Erfahrung mit der anonymisierten Spurensicherung gemacht: „Uns ist es wichtig, Frauen in dieser Situation die größtmögliche Handlungsfreiheit zu geben. Über eine Anzeige entscheidet allein die Frau, nicht die Ärztin oder der Arzt.“

Bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen übernehmen die Ärztinnen der Gynäkologie, ist ein Mann das Opfer, untersuchen die Ärzte der Urologie. Die Beweise werden an die Rechtsmedizin der Uniklinik Münster geschickt und dort aufbewahrt. So kann sich das Opfer auch Jahre später zu einer Anzeige entscheiden und sich auf die Beweise beziehen. Laut Studien wird nur einer von zehn Fällen sexualisierter Gewalt zur Anzeige gebracht.

Die Mitarbeitenden der Notaufnahme nehmen regelmäßig an Fortbildungen teil, um ihre Kompetenz im Umgang mit Gewaltdelikten zu schulen. Der erste Schritt ist das geschulte Erkennen von Hinweisen. Mögliche Anzeichen sind, dass die Verletzungen nicht zum geschilderten Unfallgeschehen passen oder unterschiedlich alte Verletzungen vorhanden sind.

In einigen Fällen sind die Begleitpersonen gleichzeitig Täter. Entsteht bei den Mitarbeitenden der Notaufnahme der Eindruck, dass die Patienten durch die Begleitperson eingeschüchtert wirken, schaffen sie die Gelegenheit für ein Gespräch unter vier Augen.

Dr. Udo Schniedermeier: „Wenn die Patienten sich bedroht fühlen oder direkt Anzeige erstatten möchten, bieten wir an, die Polizei zu alarmieren und den Patienten in unseren Räumlichkeiten zu schützen. In besonderen Fällen könnte mittels Hausverbot der Täter durch die Polizei entfernt werden.“

Die Notaufnahme kooperiert beim Thema Gewalt und Trauma neben der Polizei auch mit Institutionen, die bei der mentalen Bewältigung der Tat helfen. Auf Wunsch können die Mitarbeitenden beispielsweise einen Kontakt mit der Seelsorge im Haus oder dem LWL-Klinikum Gütersloh organisieren.

Angela Wüllner, Gleichstellungsbeauftragte beim Kreis Gütersloh: „Nur ein sehr kleiner Teil der Fälle von sexualisierter Gewalt wird angezeigt. Oft brauchen die Opfer Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten und den Mut für eine Anzeige aufzubringen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die anonyme Spurensicherung anbieten und dies mit Hilfsangeboten verknüpfen.“

Das Klinikum Gütersloh veranstaltet am 24. Mai ein Symposium für Rettungskräfte, Notfallmediziner und Pflegekräfte in der Notfallmedizin, bei dem es neben vielen anderen Themen auch um den Umgang mit Gewaltopfern in der Notaufnahme gehen wird. Dr. Udo Schniedermeier: „Wir möchten speziell das Thema Kindeswohlgefährdung beleuchten und praktisch relevante Hinweise geben.“ Anmeldungen sind noch bis zum 20. Mai auf der Homepage des Klinikums Gütersloh möglich.

Hilfe und Beratung:

Anonyme Spurensicherung:

  • Klinikum Gütersloh – Reckenberger Str. 19, 33332 Gütersloh, Tel.: 05241 8300

  • Sankt-Elisabeth-Hospital – Stadtring Kattenstroth 130, 33332 Gütersloh, Tel.: 05241 5070

Weitere Hilfsangebote:

  • Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – Mehrsprachig, rund um die Uhr, Tel.: 08000 116 016, Online-Beratung: www.hilfetelefon.de

  • Krisendienst – Nachts und am Wochenende, Tel.: 05241 531300

  • Opferschutzdienststelle der Kreispolizeibehörde Gütersloh – Tel.: 05241 869-1873