Die Gemeinde Herzebrock-Clarholz erinnerte am Samstagnachmittag an der Stele am Fuhrmannsplatz an das Novemberpogrom, welches in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 stattfand. Häuser der Herzebrocker Juden wurden i n der Nacht überfallen, die Geschäfts- und Wohnungseinrichtungen demoliert und die Bewohner gequält und geschlagen. Die Männer wurden für mehrere Wochen in Konzentrationslagern gefangen gehalten. Schon vor 1938 waren jüdische Familien, die seit Jahrzehnten in Herzebrock gelebt hatten, ins Ausland geflohen. Andere folgten ihnen in den verbleibenden Monaten bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Wer nicht entkommen konnte, wurde in der Shoah umgebracht.
Deutschlandweit wurden in der Nacht vom 09. auf dem 10. November 1938 insgesamt 267 Synagogen zerstört. Eine davon nicht weit von hier, in Rheda-Wiedenbrück. Auch in unserer Gemeinde, in Herzebrock, hat sich Schlimmes zugetragen. Deshalb wird sich jedes Jahr wieder daran erinnert, um zu gedenken, zu mahnen und auf die Gefahren antisemitischer und rassistischer Tendenzen in unserer Gesellschaft hinzuweisen, die bis zum heutigen Tag nicht auszurotten sind.
Das Gedenken findet an der Stele statt, die 2008 auf Initiative der Israel AG des Einstein-Gymnasiums Rheda-Wiedenbrück geschaffen wurde. Auf dieser können die Familiennamen der Juden aus Herzebrock nachgelesen werden, deren Schicksale nicht vergessen werden dürfen.
Dieses Jahr beteiligte sich die Interessengemeinschaft der Gästeführer in Herzebrock-Clarholz mit einer Aufarbeitung der Historie in Herzebrock-Clarholz. Direkt im Anschluss des Gedenkens wurde eine Führung zum jüdischem Leben in Herzebrock angeboten. Die Nachfrage war so groß, dass sich gleich zwei Gruppen auf den Weg machten.
In seiner Gedenkansprache betonte Marco Diethelm: „Heute können wir uns nicht hier versammeln, ohne die grausamen Terroranschläge der Hamas in Israel und den kriegerischen Konflikt im Nahen Osten mit unermesslichem Leid vor Augen zu haben. Wir dürfen nicht die Opfer von damals vergessen. Und wir trauern zugleich um die Opfer der jüngsten Ereignisse.“
Antisemitismus.
Judenhass.
Es passiert wieder. Jetzt.
Im Nahen Osten, weltweit, in Europa und auch in Deutschland werden wieder Hassparolen gerufen, es gab einen Brandanschlag auf die Berliner Synagoge, Krawalle und Ausschreitungen. Juden fühlen sich in unserem Land nicht mehr sicher!
Wir tragen Verantwortung.
Martina Deinert, Vertreterin der Interessengemeinschaft der Gästeführer Herzebrock-Clarholz, sieht ihre Aufgabe darin, historische Geschehnisse authentisch zu bewahren und lebendig zu halten. Deshalb trugen sie zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger bei. Hier in Herzebrock würden seit 1728 Juden leben, seit ca. 1800 gäbe es eine Gemeinschaft von zunächst sechs Familien, die sich ins Dorfleben eingebracht, hier gelebt und gearbeitet haben. Nach dem ersten Weltkrieg erlebten die Juden zunehmende Schwierigkeiten und Repressalien, welche in der Zeit des Nationalsozialismus in Entrechtung, Verfolgung, Deportation und Ermordung gipfelten. 27 Opfer der Shoah sind aus Herzebrock bekannt. Sie haben schreckliche Dinge erleben müssen, über die wir teilweise wenig oder nichts wissen.
Mit dem Angriff der radikalislamischen Hamas am 07. Oktober 2023 auf die zivile Bevölkerung in Israel begann ein weiteres Kapitel unfassbarer Grausamkeiten und Gräueltaten, so Martina Deinert, es seien Opfer auf beiden Seiten zu beklagen, auf der israelischen wie auf der palästinensischen Seite. Hier trug sie den Liedtext von dem Lied „Deduschka“ (zu Deutsch Großvater)“ des in Berlin lebenden jüdischen Rappers Ben Salomo vor.
Bürgermeister Marco Diethelm möchte explizit drauf hinweisen, dass in den letzten Tagen viel vom importierten Judenhass gesprochen würde. Hier sei zwar richtig, dass eine nicht unwesentliche Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund einen Hass auf das Judentum haben, allerdings würde Begriff vor allem suggerieren, dass der Hass kein deutsches Problem sei und man nur die Migration ändern müsse.
Diethelm sagt weiter: „Dies ist zum einen falsch und zum anderen verkleinert es unsere Verantwortung. Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Menschen werden und wurden auch von deutschen Staatsbürgern begangen. Hass greift wieder mehr um sich. Die sich immer weiter ausbreitende Grundhaltung ist eine allgemeine Bedrohung für unsere Gesellschaft.“
Wir tragen hier Verantwortung: Wir dürfen nicht zulassen, dass sich rechtes Gedankengut immer weiter verbreitet. Setzen wir auf Menschlichkeit und Nächstenliebe und erinnern wir uns an unsere Geschichte.
Shalom!